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Count Down: Ein geschützter Raum für die Entgiftung im Drogentherapie-Zentrum Berlin

In dieser Artikelreihe möchten wir das Drogentherapie-Zentrum Berlin (DTZ) näher vorstellen.

Diesmal blicken wir auf das Entzugskrankenhaus Count Down - unsere stationäre Entgiftungsstation für Menschen mit einer Konsumstörung*. Für viele beginnt hier ein neuer Weg. Im Count Down geht es nicht nur um körperliche Entgiftung, sondern auch um Stabilisierung, Orientierung und darum, erste Schritte in eine neue Richtung zu wagen.

Qualifizierter Entzug in geschütztem Rahmen

Im Count Down können bis zu 15 Patient*innen ab 16 Jahren, die illegale Substanzen konsumieren, aufgenommen werden. Wichtig zu wissen: Entgiftungen von Alkohol, Benzodiazepinen oder GBL sind hier nicht möglich, da sie eine engmaschige medizinische Überwachung benötigen. Die Anmeldung erfolgt über unsere Zentrale Anmeldung und Kontaktstelle (ZAK). Dort wird gemeinsam in einem persönlichen Gespräch geklärt, ob das Count Down die passende Station ist.

Während des Aufenthalts sind Handys, Internet und Besuch nicht erlaubt. Denn wer Abstand vom Konsum gewinnen möchte, braucht auch etwas Abstand vom gewohnten Alltag. Keine ständige Erreichbarkeit, keine Reizüberflutung - dafür Raum für Klarheit, Selbstfürsorge und neue Erfahrungen. Tägliche Spaziergänge, gemeinsame Mahlzeiten und klare Tagesstrukturen helfen, den Tag zu gestalten. Die Gemeinschaft auf der Station spielt dabei eine wichtige Rolle.

Das Team: Erfahrung, Empathie und klare Haltung

Das Count Down ist bewusst kein Krankenhaus im klassischen Sinne. Viele erleben die Atmosphäre als persönlicher, offener, familiärer. Ein multiprofessionelles Team aus Ärzt*innen, Pflegekräften, Psycholog*innen und Sozialarbeiter*innen begleitet die Patient*innen durch diese erste, oft intensive Phase. Das Pflege- und Betreuungsteam ist rund um die Uhr ansprechbar. Der Sozialdienst unterstützt bei wichtigen Fragen: Anschlussbehandlungen, Finanzen, Wohnungssuche, rechtliche Anliegen.

Was das Team auszeichnet: Geduld, Klarheit - und ehrliches Interesse. Niemand wird hier verurteilt. Mit viel Erfahrung und Empathie wissen die Mitarbeitenden, wie schwierig dieser Weg manchmal sein kann. Und selbst wenn es einmal zu einem Abbruch im Count Down kommt, gilt: Hier ist jede und jeder weiterhin willkommen.

„Wir meinen das wirklich so, wenn wir sagen: Wir freuen uns, wenn jemand nochmal wiederkommt und es erneut versucht.“, betont Lena Zerbe - Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie und ärztliche Leitung des Count Downs.

Behandlungsziele: Entgiften, stabilisieren, Perspektiven entwickeln

Lena Zerbe beschreibt ihren Arbeitsalltag so: „Wir schaffen einen geschützten Raum, in dem Menschen zur Ruhe kommen können. Viele sind zu Beginn unsicher oder ängstlich, doch hier finden sie Verständnis und Unterstützung.“

Ziel der Behandlung ist zunächst die körperliche Entgiftung, um die Grundlage für weitere therapeutische Schritte zu schaffen. Doch es geht um mehr: Das Count Down will dabei unterstützen, eigene Stärken wiederzuentdecken, mit Suchtdruck umzugehen und eine erste Idee davon zu entwickeln, wie ein drogenfreies Leben aussehen kann. Gemeinsam mit dem Team können auch Anschlussbehandlungen geplant und auf weiterführende Angebote hingewiesen werden, etwa Langzeittherapie, Übergangswohnen oder ambulante Unterstützung.

Lena Zerbe betont zudem, wie wichtig die klare Struktur und das gemeinsame Stationsleben sind. „Die Menschen erfahren, dass sie nicht allein sind. Die Gruppenangebote, Gespräche und Aktivitäten geben Halt und ermutigen, die nächsten Schritte zu gehen. Jeder Tag ist eine Chance, sich weiter vom Konsum zu entfernen.“

Behandlungskonzept: Aktiv und interaktiv mit naturheilkundlichen Verfahren

Ein besonderer Aspekt der Arbeit im Count Down ist der bewusste, weitgehende Verzicht auf Medikamente zur Linderung von Entzugssymptomen.

Stattdessen kommen alternative Methoden zum Einsatz:

  • Akupunktur nach dem NADA-Protokoll
  • Wannen- und Fußbäder, z. B. Senfmehlfußbad zur Einschlafförderung
  • Aromatherapie mit ätherischen Ölen
  • Bewegung, Sport, Massage und Yoga

„Ich sage tatsächlich immer: Wir haben eigentlich für jede Befindlichkeit einen Tee“, erzählt Lena Zerbe. Im Count Down werden dafür selbst gemischte Kräutertees angeboten, die gezielt bei unterschiedlichen Beschwerden wie Entzugssymptomen, Schlafproblemen, Kopfschmerzen oder Menstruationsbeschwerden unterstützen können.

Auch sogenannte „Skills“ gegen Suchtdruck und innere Anspannung werden vermittelt: Von Chili-Gummibärchen über Tigerbalsam bis hin zu kleinen Greifspielzeugen - alles, was dabei hilft, im Körper zu bleiben und Gefühle auszuhalten.

Ein Tag im Count Down - wie kann das aussehen?

Der Alltag ist klar strukturiert. Das hilft dabei, den Tag zu gestalten und einen Rhythmus zurückzugewinnen, der durch den Konsum oft verloren gegangen ist.

Zum Beispiel so: Der Tag startet gegen 7:45 Uhr mit dem Wecken und um 8:30 Uhr wird gemeinsam gefrühstückt. Danach folgt eine Tagesbesprechung: Wer hilft beim Kochen? Wer gießt die Balkonpflanzen? Wer übernimmt den Wohnbereich?

Die Zubereitung des Mittagessens erfolgt angeleitet durch das Team und unterstützt die Patient*innen dabei, Alltagskompetenzen schrittweise wieder aufzubauen. Im Laufe des Tages gibt es dann wechselnde Gruppenangebote, ärztliche Visiten, Spaziergänge und Möglichkeiten zur individuellen Beschäftigung - sei es im Sportraum, bei einem Puzzle oder mit einer Tasse Tee auf dem Sofa.

Nach dem Abendessen gegen 18:30 Uhr kann man gemeinsam Filme schauen oder einfach im Wohnbereich zusammensitzen. Um 23 Uhr beginnt die Nachtruhe - wer nicht schlafen kann, darf sich nochmal im Gemeinschaftsbereich aufhalten, eine rauchen oder mit dem Nachtdienst sprechen. 

Schutzraum für alle

Das Count Down legt großen Wert auf einen geschützten Rahmen. Die Station versteht sich nicht nur als drogenfreier Raum, sondern auch als Ort, der frei von Gewalt und Diskriminierung sein soll. Respekt und ein wertschätzender Umgang miteinander bilden die Grundlage für das Zusammenleben - unabhängig von Herkunft, Geschlecht, sexueller Orientierung oder Religion.

Da viele Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen auf engem Raum zusammenleben, ist das eine Herausforderung. Im Count Down wird aufgeklärt und offen darüber gesprochen, wo Diskriminierung oder abwertende Äußerungen beginnen. Für den Fall von Problemen oder Übergriffen stehen jederzeit niedrigschwellige und anonyme Anlaufstellen zur Verfügung. So entsteht hier ein Raum, in dem sich alle Patient*innen sicher und respektiert fühlen können.

Ein Ort, an dem Veränderung beginnen kann

Ziel ist es nicht nur, den Körper zu entgiften, sondern auch eigene Ressourcen wiederzuentdecken und eine erste Idee davon zu entwickeln, wie ein Leben ohne Konsum aussehen könnte. Im Count Down gewinnen Menschen Abstand vom Konsum, kommen zur Ruhe und entwickeln neue Perspektiven - auf sich selbst, auf ihr Leben und auf das, was möglich ist. Denn oft genügt genau dieser erste Schritt, damit sich das Leben in eine neue Richtung bewegt.

* Hinweis zur Sprache

Im Drogentherapie-Zentrum Berlin verwenden wir vorrangig den Begriff Konsumstörung, um eine respektvolle und entstigmatisierende Sprache zu fördern. Der Begriff Sucht wird ergänzend verwendet, wenn er für das fachliche Verständnis oder den jeweiligen Zusammenhang
notwendig ist.